Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 17. Februar 2010 (Az: 17 U 207/09) festgestellt, dass eine Bank Schadensersatz wegen mangelhafter Anlageberatung beim Erwerb von Lehman Twin Win-Zertifikaten zu leisten hat. Hat der Anlageberater empfohlen Lehman Twin Win-Zertifikate zu zeichnen, bei denen - abgesehen von einer sog. Sicherheitsschwelle/Barriere von 50 % und dem Emittentenrisiko - ein Kapitalverlust ausgeschlossen ist, muss der Berater über die Rückzahlungsalternativen bei Berühren und Unterschreiten der sog. Sicherheitsschwelle detailliert aufklären.
Der Anlageberater hatte dem Bankkunden in einem kurzen Telefonat angeraten, Einzelaktien zu veräußern und die frei werdenden Mittel in Lehman Twin Win-Zertifikaten (sog. Schmetterlingszertifikate) anzulegen. Die Funktionsweise der Zertifikate, die Rückzahlungsalternativen und Provisionen seien von dem Berater nicht angesprochen worden. Unstreitig ist jedoch, dass der Berater betonte, die Anlage in Lehman- Zertifikaten sei im Vergleich zu Aktienanlagen die bessere und risikoärmere Wahl. Die Rückzahlung des Twin-Win-Zertifikats erfolgt in Abhängigkeit von der Entwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Index. Soweit der Index während der Laufzeit im Verhältnis zum anfänglichen Bewertungsstichtag zu keinem Zeitpunkt um 50 % oder um mehr als 50 % – sog. Barriere/Sicherheitsstufe – gefallen sein sollte, ist der Anleger vor Kapitalverlusten geschützt und kann in Abhängigkeit von der Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Gewinne erzielen. Bei Berühren oder Unterschreiten der Sicherheitsschwelle erhält der Anleger bei Laufzeitende (hier: 22.08.2012) keinen Barbetrag ausgezahlt, sondern Dow Jones Euro Stoxx 50- Zertifikate mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2057, die von der Wertentwicklung des Dow Jones Euro Stoxx abhängen.
Nach Auffassung des Oberlandesgericht Frankfurt handelt es sich bei dem Twin Win-Zertifikat um ein sehr komplexes Produkt, dessen Risiken wenig transparent sind. Aus diesem Grunde reiche es auch nicht aus, den Kunden nur telefonisch ohne schriftliches Informationsmaterial zu informieren. Die Emittentin habe zudem ein Bedürfnis gesehen, sich durch eine 50 % Barriere – ausgehend vom Index am anfänglichen Bewertungsstichtag – abzusichern. Bei Berühren oder Unterschreiten dieser „Sicherheitsschwelle“ soll nicht eine Barauszahlung geleistet werden, sondern Dow Jones Euro-Stoxx 50-Endloszeritifikate ausgekehrt werden, wodurch der Anleger das eingesetzte Kapital verlieren kann. Zu beanstanden ist, dass die Bank bei dem Kunden, der nicht mit den komplexen Strukturen dieser Zertifikate vertraut ist, den Eindruck erweckt habe, er könne Kursverluste vermeiden und die Zertifikate zu einem beliebigen Zeitpunkt veräußern. Entgegen der durch die Beratung der Bank beim Kunden erzeugten Vorstellung kann der Kunde Kursverluste jedoch nicht aussitzen, sondern die Emittentin kann ab dem Jahr 2014 kündigen und die Ersatzzertifikate fällig stellen. Für nicht maßgebend hält das Gericht das Vorbringen der Bank, der Kunde habe wesentlich risikobehaftetere Anlagen in Wertpapieren/Fonds im Depot. Für entscheidend hält es das Oberlandesgericht Frankfurt hingegen, dass die Bank vorliegend die Umschichtung einer durch eine breite Aufstellung von Einzelaktien vor Verlusten geschützten Anlage in eine angeblich risikoärmere Anlagenform in Lehman Twin Win-Zertifikate, bei der die Kursrisiken gegenüber der vorherigen Anlage reduziert werden sollten, vorgeschlagen und empfohlen habe. Da bei den ausgegebenen Ersatzzertifikaten das eingesetzte Kapital verloren werden kann, muss der Berater auch über ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Emittentin aufklären.
Der Kläger hat wegen der fehlerhaften Anlageberatung gegen die Bank einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe von 7 Zertifikaten mit einem Nennwert von 1.000 EUR der Lehman Brothers Treasury Co.B.V.