Urteil des Landgerichts Darmstadt

Fachartikel

Landgericht Darmstadt                                                                                Verkündet am: 23.08.2006

 

Geschäfts-Nr.: 25 S 43/06

6 C 657/05 Amtsgericht Bensheim

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen Wehrt & Hahn, Birkenhain 1a, 21614 Buxtehude

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte

Prozeßbevollmächtigte:

hat die 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt

durch den Richter am Landgericht Knobloch, als Vorsitzender

die Richterin am Landgericht Rau

die Richterin Dr. Fink

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2006

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts... vom ... abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ... Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 01.12.2004 bis zum 19.02.2005 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert der Berufung: ...Euro.

G r ü n d e:

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es steht auf dem Standpunkt, die vereinbarte Möglichkeit der Sondertilgungen für den Kläger sei bei der Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger nicht substantiiert dargetan habe, dass er dazu auch tatsächlich in der Lage gewesen sei. Auch habe er nicht ausreichend dargetan, dass die von der Beklagten vorgelegte Berechnung fehlerhaft sei, weil sie nicht auf den Zinssätzen der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank basiere.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag unverändert weiter. Er rügt Rechtsverletzung des Amtsgerichts. Er ist der Ansicht, für die Berücksichtigung des Sondertilgungsrechts des Darlehensnehmers komme es nach der Rechtsprechung des BGH alleine darauf an, ob dieses Recht dem Darlehensnehmer nach dem Vertrag abstrakt zustehe. Es komme dagegen nicht darauf an, ob er es nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch tatsächlich ausüben könne. Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei auf die "rechtlich geschützte Zinserwartung" der Beklagten abzustellen. Die gleiche Problematik bestehe für den Schadensersatzanspruch der Bank bei verspäteter Rückzahlung des Darlehens.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hat hilfsweise die Zulassung der Revision beantragt. Sie ist der Ansicht, die von dem Kläger zitierten Entscheidungen des BGH seien für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Sie stützt ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des OLG Frankfurt vom 25.5.2000, Az.: 16 O 182/99, welches sie als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 7.10.2005 (BI. 40 - 44) vorgelegt hat.

Mit Beschluss vom 21.6.2006 (BI. 184 -185) hat die Kammer darauf hingewiesen, dass nach ihrer Rechtsauffassung das Sondertilgungsrecht des Klägers bei der Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sei und dem Beklagten Gelegenheit gegeben, zu der neuen Berechnung des Klägers Stellung zu nehmen, was dann auch geschehen ist.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Hauptsache Erfolg. Lediglich die zusätzlich geltend gemachten Kosten in Höhe von ... € für die Erstellung eines sogenannten Sachverständigengutachtens über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung waren dem Kläger nicht zuzusprechen.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch wegen Überzahlung der infolge vorzeitiger Ablösung des zur Finanzierung einer Immobilie aufgenommenen Darlehens aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB zu. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gegen den Kläger dem Grunde nach zusteht. Streitig ist lediglich deren Höhe. Diese richtet sich maßgeblich danach, ob das im Vertrag vereinbarte Recht des Klägers, jährlich Sondertilgungen bis zu einem Betrag von ... DM (= ... €) zu leisten, dabei zu berücksichtigen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH zum Umfang des Schadensersatzes bei Nichtabnahme eines vereinbarten Darlehens, die auf den vorliegenden Fall zwar nicht unmittelbar, aber jedenfalls sinngemäß anzuwenden ist, sind für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die gleichen Grundsätze wie bei der Nichtabnahmeentschädigung heranzuziehen. Dabei ist auf die Gesamtdauer der rechtlich geschützten Zinserwartung abzustellen. (BGH NJW 97, 2878). In einer weiteren Entscheidung des BGH vom 7.11.2000, Az.: XI ZR 27/00 (Anlage K 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.11.2005) hat der BGH ausgeführt, dass bei der Berechnung auf den vertraglich vereinbarten Tilgungsverlauf abzustellen ist und auch zu berücksichtigen sei, dass während der Laufzeit monatlich neben Zins- auch Tilgungsleistungen erbracht werden, welche die zu verzinsende Darlehenssumme reduzieren. Diese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil die Interessenlage für beide Parteien im Wesentlichen gleich ist. Es ist zugunsten des Darlehensnehmers zu berücksichtigen, dass die abstrakte Möglichkeit der jährlichen Sondertilgung des Darlehens in die Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung einzubeziehen ist, ohne dass es auf die konkrete wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers ankommt.

Soweit sich die Beklagte für ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 25.5.2000 berufen hat, ist diese Entscheidung nicht geeignet, ihre Rechtsansicht zu stützen. Das OLG Frankfurt hat sich darin nicht inhaltlich mit der grundsätzlichen Frage der Berücksichtigung des Sondertilgungsrechts bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auseinandergesetzt, sondern es hat lediglich aus tatsächlichen Gründen wegen unzureichenden Vortrags des Darlehensnehmers im konkret entschiedenen Fall die Berücksichtigung des Sondertilgungsrechts abgelehnt. Über die grundsätzliche Rechtsfrage hat es dabei nicht entschieden.

Die Kammer bleibt daher bei ihrer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsansicht, dass das vereinbarte Sondertilgungsrecht zu berücksichtigen ist.

Auf den Hinweis der Kammer hat der Kläger eine gegenüber der ursprünglichen Berechnung vom 7.1.2005 (Anlage K 5, BI. 21 - 30) neue Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vom 25.5.2006 (Anlage K .14, BI. 174 -182) vorgelegt, die nach seinem Vortrag auf den von der Beklagten in ihrer Berechnung vom 4.10.2004 (Anlage K 2, BI. 11 -14) zugrunde gelegten Zinswerten unter Berücksichtigung der Sondertilgungsmöglichkeit für die gesamte Laufzeit des Darlehens beruht. Soweit er dabei zu einem gegenüber der ursprünglichen Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung für ihn noch günstigeren Ergebnis gekommen ist, macht er sich das nicht zu Eigen, sondern begnügt sich mit dem ursprünglich geltend gemachten geringeren Betrag.

Die Beklagte hat gegen diese Berechnung auf der Grundlage der von ihrem Rechenzentrum erstellten Alternativberechnungen (BI. 188 - 207) verschiedene Einwendungen erhoben, die der Kläger zur Überzeugung der Kammer durch seine Ausführung im Schriftsatz vom 16.8.2000 insgesamt ausgeräumt hat.

Im Wesentlichen handelt es sich dabei um folgende Kritikpunkte:

Die Beklagte ist der Ansicht, die neue Berechnung des Klägers gehe von einem falschen Kontostand für 2004 aus und berücksichtige das Sondertilgungsrecht für 2004 doppelt. Der Kläger hat dies nach Ansicht der Kammer überzeugend widerlegt. Der nach Ausübung des Sondertilgungsrechts für 2004 in seiner Berechnung angegebene Kontostand von ... DM (= ... €) stimmt, wovon sich die Kammer überzeugen konnte, mit dem in der Berechnung der Beklagten (Anlage K 2) zugrunde gelegten Kontostand zum Stichtag 1. 12.2004 überein. Das Sondertilgungsrecht für das Jahr 2005 und für die Folgejahre hat der Kläger jeweils zum frühest möglichen Zeitpunkt, d.h. zum 1.1. eines Jahres in die Berechnung eingestellt. Lediglich verbuchungstechnisch erscheint das jeweils unter dem Datum zum 31.12. des Vorjahres. Darin sieht die Kammer keine unzulässige Doppelberechnung.

Der weitere Einwand der Beklagten, der Kläger verwende die falschen Hypothekenpfandbriefrenditen der Deutschen Bundsbank und zwar jeweils zum falschen Stichtag greift ebenfalls nicht durch. Der Kläger hat weiter überzeugend dargelegt, dass auch seine Berechnung auf dem Datum der Kreditablösung am 1.10.2004 basiere. Die zugrunde gelegten Zinssätze würden sich nicht von den in der Berechnung der Beklagten verwendeten Zinssätzen unterscheiden. Das von ihm verwendete Computerprogramm errechne lediglich einen Mittelwert für eine bestimmte Zeitspanne wodurch sich keine Veränderung der Zinswerte ergebe.

Die Kammer hält die - zugegebenermaßen für einen Laien nur schwer verständlichen - Ausführungen des Klägers im zuletzt genannten Schriftsatz für noch nachvollziehbar und überzeugend. Die Kontrollberechnung des Klägers vom 23.5.2006 lässt ein Berechnungsfehler nicht erkennen, so dass dem Kläger jedenfalls der mit der Klage geltend gemachte Betrag von ... € zuzusprechen war.

Die darüber hinaus geltend gemachten Kosten in Höhe von ... € Aufwendungen für die Erstellung eines Gutachtens zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung vermag die Kammer dagegen dem Kläger nicht zuzusprechen, weil die Entstehung dieser Kosten nicht hinreichend dargetan ist. Weder hat der Kläger dafür einen Zeitaufwand angegeben noch eine entsprechende Rechnung vorgelegt. Ein entsprechender Anspruch ist daher nicht schlüssig dargetan.

Die von der Beklagten beantragte Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Kammer ist der Ansicht, dass die im vorliegenden Fall angewendete Rechtsprechung des BGH eine genügende Stütze zur Lösung der zur entscheidenden Rechtsfrage bietet und insofern keine Rechtsprechungslücke besteht. Zwar bezieht sich die zitierte Rechtsprechung des BGH nicht unmittelbar auf das Sondertilgungsrecht, jedoch sind die darin enthaltenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ohne weiteres übertragbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus. § 708 Nr. 10 ZPO.

Knobloch                                            Rau                                                     Dr. Fink